1913 stellten einige Mitglieder der ortsansässigen evangelischen reformierten Kirchgemeinde fest, dass in Lugano ein alkoholfreier Gastgewerbebetrieb fehlt. Sie fanden dies als eine Notwendigkeit wegen der sozialen Probleme dieser Epoche wie Arbeitslosigkeit, Alkoholismus und Familienstreitigkeiten. Pfarrer Niklaus Bolt, ein berühmter Schweizer Schriftsteller, befasste sich schon seit längere Zeit mit dem Gedanken, ein alkoholfreies Restaurant zu gründen, vor allem auch, da der Gemeindesaal der Kirche nicht mehr genügend Platz bot.
Um dieses Vorhaben realisieren zu können, wurde eine Summe von CHF 10'000 benötigt. Die Mittel für das Restaurant-Projekt stammten aus Einnahmen eines Tessiner Abends in Basel und aus Spenden von “Freunden der Sache”.
Im Februar 1914 wurde der Verein für ein alkoholfreies Restaurant gegründet.
Im März 1914 fand man die geeigneten Räumlichkeiten am Corso Pestalozzi 13.
Der Name des Lokales “Pestalozzihof” ist auf die Position am Corso Pestalozzi zurückzuführen. Das Lokal bestand aus zwei Gemeindesälen und dem Restaurant. Eines der Grundprinzipe war, dass das Restaurant keine politischen oder religiösen Tendenzen verfolgen soll. Ein weiteres Prinzip war das strikte Trinkgeld-Verbot.
Im Juni 1914 öffneten die Türen des alkoholfreien Restaurants Pestalozzihof. Der Anfang dieser Betriebstätigkeit war sehr mühsam und besonders durch das Fehlen von ausländischen Gästen und der Preiserhöhung der Lebensmittel als Folge des 1. Weltkrieges erschwert. Trotz all dieser Schwierigkeiten konnte im ersten Jahr bereits ein Gewinn von CHF 314.42 erwirtschaftet werden.
Anfangs wurde die Leitung des Lokales Privatpersonen anvertraut, aber nach dem mehreren Wechsel innerhalb kurzer Zeit, wurde das Restaurant durch eine Betriebskommission gemeinsam mit dem Verwaltungsrat des Vereins geleitet.
Das Lokal wurde bald zu einem beliebten Treffpunkt von Soldaten, Dank auch der engen Zusammenarbeit mit dem „Komitee zur Fürsorge für die Soldaten in der Schweiz“. Ebenso war es auch ein geschätzter Ort, wo man in Ruhe lesen oder schreiben konnte.
Um die Fortführung der Aktivität gewährleisten zu können, musste 1918 mehrmals beim Beschaffungsamt in Bellinzona interveniert werden – vor allem um eine Liefergarantie der benötigen Lebensmittel zu bezahlbaren Preisen zu erhalten.
Um das Interesse der lokalen Bevölkerung zu wecken, welche einem alkoholfreien Restaurant immer noch sehr skeptisch gegenüber war, wurden Bazare, Theaterabende und Konferenzen organisiert.
Trotz der schwierigen Jahre konnte 1918 ein Umsatz von CHF 40'000 mit durchschnittlich 110 Besuchern pro Tag registriert werden. 1919 waren es schon über 60'000 Gäste.
Die wirtschaftliche Situation verschlechterte sich 1921. Viele junge Menschen verloren ihre Arbeit und mussten in andere Kantone abwandern.
Aufgrund der häufigen Anfragen wurde 1923 erstmals die Überlegung laut, ob man den Pestalozzihof nicht in ein Hospiz umwandeln sollte.
1924 schlug man Herrn Lucchini vor, das aktuelle Betriebsgebäude zu erwerben, was dieser aber grundsätzlich ablehnte. Im Mai 1926 fing man an, erstmals Zimmer zu vermieten. Die Gästezahl stieg auf 85'000 pro Jahr.
1927 erhielt der Verein das Angebot von Herrn Beretta, das heutige Grundstück für CHF 126'000 zu kaufen. Nach einer ersten Ablehnung und erst nach einer gründlichen Inspektion zusammen mit dem Architekten Heidemann (der auch das Kurhaus Cademario erbaut hatte) wurde entschieden, das Gebäude am Piazza Indipendenza zu erwerben, um ein Hotel zu erbauen.
Das Projekt wurde mit Anleihen der Banca della Svizzera Italiana und Spenden finanziert.
Die Grundsteinlegung erfolgte im Dezember 1927. Das Projekt umfasste 38 Zimmer mit 70 Betten, ein Restaurant im Erdgeschoss mit 160 Plätzen und zwei Gemeindesäle im 1. Stock.
Während des Neubaues blieb das Restaurant auf der anderen Strassenseite in Betrieb und konnten auf 123'000 Gäste pro Jahr zählen.
Im November 1928 konnten die Zimmer und der Saal in Betrieb genommen werden. Der Pestalozzihof ist offiziell eröffnet.
Insgesamt wurden CHF 535'000 für den Neubau des Hotels ausgegeben. Bei der Endabrechnung – aufgrund der fehlenden Liquidität – wurden die Handwerker mit Obligationen bezahlt, welche aber innerhalb weniger Jahre zurückgekauft werden konnten.
Während der 30iger und 40iger Jahre wurde die Leitung des Betriebes durch viele Hindernisse erschwert, welche durch die schwierige Wirtschaftlage und den 2. Weltkrieg entstanden: dem Verdunkelungsverbot, dem fortwährenden Fehlen von Mitarbeitern, die nach Hause oder zum Militärservice gerufen wurden, dem erschwerten Einkauf mit Marken für Lebensmittel, Wäsche und Kohle, dem Verbot frittierte Gerichte zu servieren wegen der Öl- und Fett-Knappheit , der obligatorischen fleischlosen Tage, dem Fehlen von Kaffee, Eier und Käse und der damit verbundenen Schwierigkeit, eine tägliche Speisekarte für das Restaurant zu gestalten.
Trotz all dieser Schwierigkeiten stieg die Besucherzahl Jahr für Jahr.
Die Tageskarte orientierte sich hauptsächlich an der deutschen Küche mit einer grossen Auswahl an hausgemachten Torten und Süssspeisen. Gegen Ende der 40iger Jahre wurde begonnen, speziell Wert auf die vegetarische Küche zu legen.
Ende der 40iger Jahre hat man begonnen, die Zimmer erstmals zu renovieren und Maschinen anzuschaffen, die die Handarbeit erleichterten. Ebenso wurde kaltes und warmes Wasser in den Zimmern installiert.
1947 wurden 170’485 Besucher im Restaurant und 17’577 Übernachtungen registriert.
Zwischen 1950 und 1960 wurden die Küche renoviert, das Restaurant neu möbliert, die Ölheizung installiert und der Dachboden in Zimmer umgewandelt.
1962 konnten 213'630 Besucher im Restaurant registriert werden, was einem Tagesdurchschnitt von 585 Gästen entspricht. Zahlen, die man sich in der heutigen Zeit nur schwer vorstellen kann.
Dieser positive Trend wurde 1967 unterbrochen, als die ersten Selbstbedienungsbuffets von Innovazione, Epa und Cooperativa eröffnet wurden, mit einem sofortigen Verlust von 50'000 Gästen in einem Jahr.
1974 wurde aufgrund der Zimmerknappheit ein Stockwerk im Südtrakt aufgebaut. Es entstanden weitere 6 Zimmer und der aktuelle Lift wurde eingebaut.
Weitere Renovierungsarbeiten wurden notwendig, allerdings waren die Bankzinsen dermassen hoch und die Preise des Restaurants und des Hotels so tief, dass man in den letzten Jahren keinerlei Reserven ansparen konnten. Nach und nach wurden die Zimmerpreise erhöht und das Hotel wurde etappenweise von 1979 bis 1987 renoviert. Für diese Investitionen wurden insgesamt CHF 2'500'000 ausgeben, die durch eigene Einnahmen und einer Hypothek von nur CHF 222'000 finanziert wurden.
In den 80iger Jahren wurden die Zimmer, der Saal im 1. Stock, das Restaurant, der Hof, die Küche und der Haupteingang renoviert.
Seit 1997 wurde unaufhörlich weiter ins Hotel investiert und insgesamt wurden weitere CHF 14'000'000 ausgeben, die zu 80 % durch eigene Mittel finanziert wurden.
Seit Beginn im Jahr 1914 konnte die Genossenschaft auf Personen zählen, die sich freiwillig mit viel Begeisterung und Bemühungen der Leitung dieses öffentlichen Betriebes gewidmet haben. Trotz zweier Weltkriege, finanzieller Probleme und Schwierigkeiten, Mitarbeiter zu finden, haben sie sich nie entmutigen lassen und immer an die gute Sache, einen alkoholfreien Betrieb zu führen, geglaubt
Jahrelang wurde das Restaurant, dann auch das Hotel von Damen geleitet, die hauptsächlich aus der Deutschschweiz stammten und Erfahrung in der Leitung von alkoholfreien Betrieben vorzeigen konnten. Frl. Sieber war in der Betriebskommission von 1918 bis 1975 – über 55 Jahre. Diese Frauen leiteten den Betrieb unter strengen Vorgaben und arbeiteten durchschnittlich 20 – 40 Jahre für den Pestalozzihof Lugano. Die „Strenge“ bezog sich vor allem auf das strikte Alkoholgebot und es wurden Zimmerkontrollen durchgeführt, um zu vermeiden, dass Gäste oder Mitarbeiter alkoholische Getränke oder auch Medikamente konsumieren konnten.
Wie in der Vergangenheit so können wir mit grosser Freude auch heute auf sehr treue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zählen, die seit über 20 Jahren bei uns arbeiten und wir nützen diese Gelegenheit, um ihnen ganz herzlich für den grossartigen Einsatz und die Unterstützung unserer Genossenschaft zu danken.
Seit 1998 wird das Hotel von Manuela & Luciano Fadani-Eidenberger geleitet, welche sich mit Freude und Begeisterung dieser Aufgabe widmen.
Heute präsentiert sich das Hotel Pestalozzi Lugano mit:
Letzte Renovierung: Oktober 2022 bis April 2023 - kompletter Umbau von 17 Zimmer auf 3 Etagen im Nordtrakt. Alle Zimmer der Kategorie SUPERIOR und MODERN wurden neu eingerichtet und mit Klimaanlage ausgestattet